Wer im Schatten bleibt, der stirbt. – “Black.Light Project”


Das Projekt „Black.Light“, das der Kriegsfotograf Wolf Boewig und sein Partner, der Reiseschriftsteller Pedro Rosa Mendes in Kollaboration mit dem Grafikdesigner Henning Ahlers und dem Gestalter Christoph Ermisch angestoßen haben ist abenteuerlich und, was die Offenheit und Dimensionierung betrifft, ohne Beispiel: Zehn Comiczeichner, die sich im Fiction – Bereich einen Namen gemacht haben, sollen auf Grundlagen der Materialien von Boewig und Mendes einzelne Episoden aus den westafrikanischen Bürgerkriegen rekonstruieren. Um eigene Perspektiven entwickeln zu können werden sie in Workshops mit journalistischen Arbeitsweisen und den Berichten von Zeitzeugen konfrontiert. Die zeichnerischen Ergebnisse sollen dann zusammen mit einer Auswahl von Fotos und Textauszügen zu einer suggestiven und aussagekräftigen Einheit verwoben werden. “Merging” heißt das Zauberwort. Die multimedialen Reportagen werden zum Schluss in einem Buch gebündelt, das wiederum eine Ausstellungstournee durch Europa und Afrika flankieren soll. Diese Präsentationen sollen überwiegend open-air stattfinden, damit die einzelnen Geschichten, die als friesartige Bänder auf Zeltstoff ausgedruckt werden, weit reichend Zeugnis ablegen können von einer humanitären Katastrophe, die der Weltöffentlichkeit weitgehend verborgen geblieben ist.

Andreas Platthaus hat die Entwicklungsgeschichte des Projekts kürzlich in einem Beitrag der „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ auf einfühlsame Weise geschildert. Seinen nachfolgenden Bericht  hat er dem MePri dankenswerter Weise für die digitale Veröffentlichung zur Verfügung gestellt.

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Vor einem Jahr, Anfang 2011, sah alles so gut aus: das Projekt sowieso, aber auch die Finanzierung. Heute sind die Vorarbeiten fortgeschritten, und das, was man nun wirklich schon sehen kann von „Black. Light“, sieht noch viel besser aus, als es die Anfänge vor einem Jahr vermuten ließen. Doch mit dem Geld sieht es schlecht aus. Und das, obwohl gleich zehn bedeutende Illustratoren an „Black.Light“ beteiligt sind. Es ist typisch: Da interessieren sich einmal Künstler und Journalisten aus der Beletage des Lebens für die Verzweiflung in den Kellergewölben der Welt und erarbeiten deshalb ein Konzept, das nicht nur verschiedenste Erzählformen, sondern auch die Menschen aus Nord und Süd, Wohlstand und Elend, Licht und Schatten zusammenbringen soll, und dann passiert etwas, was am Anfang ganz wunderbar scheint und dadurch alle Aufmerksamkeit und auch alle Fördermittel auf sich konzentriert – weil es ja viel attraktiver ist, das Schöne zu dokumentieren als das Hässliche, das zu zeigen, was uns in ein gutes Licht setzt, statt das, was unser Schatten ist. Darum ist für „Black.Light“ mit einem Mal kein Interesse mehr da. Das Wunderbare, das vor einem Jahr seinen Anfang nahm, war der arabische Völkerfrühling. Was aber hat der mit „Black.Light“ zu tun?

Zuerst muss man dazu fragen, was „Black.Light“ überhaupt ist. Die Frage zu stellen sagt bereits einiges über die Probleme aus, die das Vorhaben hat. Normalerweise sollte man annehmen, dass die grenzen- und disziplinenübergreifende Idee, eine Menschheitstragödie künstlerisch und dokumentarisch zugleich darzustellen, Neugier erregt und Unterstützung findet. Doch schon zu dem Zeitpunkt, als sich die Tragödie , um die es geht , abspielte , in den Jahren von 1989 bis 2007, wurde ihr außerhalb Afrikas nicht viel Beachtung geschenkt. Die Kriege der Nachfolgestaaten von Jugoslawien, der Nahost-Konflikt und zwei Irak-Kriege waren mehr als bloß publizistische Konkurrenz: Sie machten den Westen blind für die Schrecken in jenen Regionen, die nur Peripherie seiner Interessensphären sind. Für eine Region wie Westafrika. Dort wurden die Jahre 1989 bis 2007 durch Charles Taylor bestimmt. Der liberianische Warlord trug den Machtkampf um sein Heimatland erst einmal in dessen Nachbarstaaten, ehe er nach einem Bürgerkrieg 1997 tatsächlich Präsident von Liberia wurde, im Amt prompt den zweiten Bürgerkrieg und neue außenpolitische Konflikte schürte. 2003 wurde er durch internationalen Druck zum Rücktritt gezwungen, 2006 aus nigerianischem Exil ausgeliefert und 2007 vor einem Sondertribunal der Vereinten Nationen in Den Haag wegen Kriegsverbrechen in Sierra Leone angeklagt. Das Verfahren gegen den Mann, der es geschafft hat, Westafrika in Flammen zu setzen, läuft noch. Von den Folgen, die seine Taten dort haben, wo Taylor gewirkt hat, soll „Black.Light“ erzählen.

Weil sich nur so wenige für dieses Geschehen interessiert haben, ist fast alles, wovon „Black.Light“ erzählt, für uns neu. Es bringt einen Teil der Welt wieder zum Vorschein, der tatsächlich jahrelang wie von Schwarzlicht bestrahlt schien, unter dem nur einzelne Details bizarrer strahlten. Und im Schatten wurde gestorben. In jenen Jahren ist der deutsche Kriegsfotograf Wolf Böwig gemeinsam mit dem portugiesischen Reporter Pedro Rosa Mendes immer wieder in die vier westafrikanischen Staaten Liberia, Sierra Leone, Guinea – Bissau und die Elfenbeinküste gereist. Sie brachten Berichte zurück, die in Zeitungen und Zeitschriften weltweit publiziert und ausgezeichnet wurden. 2007 waren Böwig und Mendes sogar zusammen für den Pulitzerpreis nominiert. Der Fotograf sagt: „Pedro schreibt das, was ich sehe, und ich scheine das zu fotografieren, was ihn interessiert.“

Doch das genügte ihnen nicht. Warum nicht das, was so wenige wissen wollen, auf eine Weise erzählen, die mehr Interesse findet – und auch die Menschen in Afrika erreicht? Vor einigen Jahren, als Mendes als Juror für den Ulysses Award von „Lettre International“ tätig war, fragte er bei der Sichtung der eingereichten Arbeiten nur einmal beiläufig nach: „Warum haben wir eigentlich keine gezeichneten Reportagen auf dem Tisch?“ Die Frage blieb unbeantwortet, aber als Anregung hängen, und sie begeisterte auch Böwig.

Die beiden sahen sich nach Mitstreitern um und fanden in Böwigs Heimatstadt Hannover den Grafikdesigner Henning Ahlers und den Gestalter Christoph Ermisch. Zu viert entwickelten sie die Idee von „Black.Light“: Die Reportagen von Mendes und Böwig werden Illustratoren zur Verfügung gestellt, die auf deren Grundlage Bildergeschichten zeichnen. Die Resultate „Comics“ zu nennen griffe zu kurz; es geht dabei um eine Form, die neben den Illustrationen auch die Texte von Mendes und die Fotografie von Böwig gelten lässt.

Es geht also um einen Hybrid, wie er bislang nur in Frankreich existiert, wo der Comiczeichner Emmanuelle Guibert gemeinsam mit dem Koloristen Frédéric Lemercier in den Jahren 2003 bis 2006 drei Bände gestaltete, die auf einer in zahlreichen Aufnahmen dokumentierten Reise des französischen Fotografen Didier Lefèvre beruhen, die dieser 1986 mit der Hilfsorganisation „Ärzte ohne Grenzen“ ins damals russisch besetzte Afghanistan unternommen hatte. „Le Photographe“, wie die auch auf Deutsch erschienene Trilogie heißt („Der Fotograf“, Edition Moderne), war auch schon viel mehr als Comic: Die Bände kombinieren die jeweiligen Stärken von aufgeschriebenen, fotografierten und von anderer Hand zeichnend interpretierten Erinnerungen. So stehen Fotos neben Comicpanels, die durch Bildbeschreibungen und Sprechblasen angereichert werden – und alle diese Zeugnisse ergänzen jeweils etwas, das den anderen Dokumentationsformen fehlt.

Genau das strebt auch „Black.Light“ an, nur dass hier nicht ein einziger Illustrator seine grafische Interpretation eines in Wort und Bild bereits existierenden Berichts anfertigt, sondern mehrere. So wird die einheitliche „Handschrift“, die in den Texten von Mendes und den Schwarzweißfotografien von Böwig zu finden ist, durch die Illustratoren erweitert. Aber es soll nicht bei dieser Betrachtung von außen bleiben. Fester Bestandteil des Arbeitskonzepts für „Black.Light“ sind öffentliche Workshops, an denen vor allem jeweils Zeitzeugen aus Westafrika teilnehmen sollen (im Idealfall jene Menschen, deren Geschichten Mendes und Böwig in ihren Reportagen erzählen), um den Illustratoren ihre eigene Sicht und Erklärung der Geschichten vorzustellen.

Dialogue – schema (www.blacklightproject.org) 

Dieses Modell orientiert sich an den in Südafrika entwickelten Wahrheitskommissionen, die mittlerweile auf dem ganzen afrikanischen Kontinent ein probates Mittel bei der Aufarbeitung von politischen Verbrechen sind – gerade auch in Sierra Leone. Und die Resultate dieser Workshops sollen nicht nur in ein Buch eingehen, das dann „Black.Light“ heißen wird, sondern auch als Ausstellungen durch die ganze Welt reisen, vor allem aber nach Westafrika selbst. Einer der Workshops wird für Freetown, die Hauptstadt von Sierra Leone, konzipiert, zusammen mit einer Freiluftpräsentation der gezeichneten Geschichten. Dann wird sich eine der Kardinalfragen des ganzen Vorhabens verschärft stellen: Wie kann die überwiegend mündliche Erzähltradition dieser Region mit der in Wort oder Bild fixierten westlichen zusammenkommen? Und wie steht es um das Problem des Analphabetismus? Da muss sich die oft behauptete universale Verständlichkeit von Bildergeschichten erweisen. Soweit zumindest die Idee.

Um einen solchen Plan durchführen zu können, braucht es Geld. Das schien anfangs kein Hindernis. Wenig später sah es anders aus: „Uns wurden vollmundige Versprechungen seitens verschiedener Stiftungen gemacht, die leider von keiner dieser Institutionen eingehalten wurde“, erinnert sich Henning Ahlers. Mit den Demokratiebewegungen in Nordafrika wurde der Teil des Kontinents südlich der Sahara wieder zudem, wogegen sich„Black. Light“ gerade richten will: einem dunklen Fleck in der Wahrnehmung. Westliche Institutionen richteten ihre Bemühungen rasch auf jene Staaten aus, in denen die Demokratiebewegungen stattfanden. Kein Festival, das nicht eilig Kunst und Künstler aus dem Maghreb ins Programm integriert, keine Stiftung, die hier nicht ein öffentlichkeitswirksames Engagement gewittert hätte. Schwarzafrika? Das konnte wieder einmal warten.

Den Ausbruch der „Arabellion“ hatten Böwig und Ahlers als die beiden Propagandisten von „Black.Light“ natürlich noch nicht auf ihrer Rechnung, als sie mir ihr Vorhaben im Oktober 2010 auf der Frankfurter Buchmesse vorstellten. In ihrem Gepäck befand sich damals ein erster Dummy, ein Probedruck, der anschaulich machen sollte, wie sie mittels der Kombination von Text, Fotografie und Illustration die Kriege in Westafrika im Buchdarstellen wollten. Viel Mühe war schon in diese Vorbereitung geflossen und auch einiges an Geld.

Das hatte sich ein Jahr später, als ich mit Böwig, Ahlers und nun auch Christoph Ermisch in dessen Hannoveraner Büro zusammentraf, um den Fortgang gezeigt zu bekommen, noch verschärft. Nicht zuletzt sehen sich die Initiatoren in der Schuld jener drei Zeichner, die bis jetzt schon für „Black.Light“ tätig geworden sind, damit überhaupt etwas vorzuweisen ist. Wobei die Bereitschaft zur Mitarbeit unter den angefragten Künstlern groß ist. Zugesagt haben bereits zehn, darunter die in Paris arbeitende Comiclegende Lorenzo Mattotti und die beiden berühmten amerikanischen Superheldenzeichner George Pratt und Greg Ruth. Nic Klein aus Kassel, einer der wenigen Deutschen, die sich im amerikanischen Comicgeschäft etablieren konnten, der kambodschanischstämmige Franzose Séra und Benjamin Flaó aus Nantes werden auch dabei sein. Und noch in der Woche vor dem Erscheinen dieses Artikels gab der italienische Illustrator Stefano Ricci, einer der derzeit versiertesten und ungewöhnlichsten Bilderzähler, seine Zusage.

Keiner dieser Künstler, die sämtlich gut im Geschäft sind, darf erwarten, für seine Mitwirkung bei „Black.Light“ auf gewohntem Niveau bezahlt zu werden. Doch sie sollen auch nicht umsonst arbeiten: „Wenn sich keine Sponsoren finden, bezahlen wir drei die Zeichner“, sagt Böwig. Doch die Perspektiven sind zumindest in anderer Hinsicht besser geworden: Mit dem Berliner Avant Verlag hat sich ein kleiner, aber umso renommierterer Comicverlag bereit erklärt, das Buch in sein Verlagsprogramm aufzunehmen. Und Anfang Juni wird endlich ein erster Workshop stattfinden – in Erlangen, als Vorspiel zu dem dortigen Comicsalon, der vom 7. bis zum 10. Juni seine Türen öffnen und eine Präsentation des „Black.Light“ – Projekts bieten wird. Jetzt also geht es wirklich los – wenn auch noch ohne finanzielle Sicherheit.

Zu dem Erlanger Workshop werden wie geplant afrikanische Gäste anreisen – und die meisten beteiligten Zeichner. Dort wird von Wolf Böwig und Pedro Rosa Mendes der eigentliche Startschuss für„Black.Light“ gegeben: Keine Simulation mehr, die Künstler sollen binnen zwei Monaten ihre Geschichten fertigstellen, damit im Oktober in Hannover die erste Präsentation der Ergebnisse als Ausstellung erfolgen kann. Und Ahlers formuliert weitere Erwartungen:„Auch die Zeichner sollen Reisen machen, nicht nur nach Erlangen, sondern auch ins Unbekannte.“ Auf dem Comicsalon selbst wird schon einiges zu sehen sein, denn drei Probegeschichten aus dem Fundus der projektierten fünfzehn bis achtzehn Reportagen, die illustriert werden sollen, gibt es bereits. Deshalb ist beim Besuch in Hannover der lange Arbeitstisch von Christoph Ermisch freigeräumt. An der Wand hängen von einer Klemmleiste lange Bahnen aneinandermontierter Ausdrucke herab, auf denen die Abfolge von Bildsequenzen erprobt wird. Es ist nämlich nicht so, dass die Zeichner das letzte Wort darüber hätten, wie die Seiten mit den auf ein extrem breites Buchformat ausgelegten Geschichten aussehen werden. Ermisch nimmt die abgelieferten Illustrationen als Rohstoff für die Gestaltung. Er schneidet Bilder an, zieht Details größer, arrangiert sie bisweilen zusammen mit Fotos. Das Resultat wird anders aussehen, als sich die Zeichner träumen ließen: „Alle müssen bereit sein, die Hosen herunterzulassen“– so die Devise von Böwig. Auch darin liegt ein Teil des Reizes.

The Photo – by Wolf Boewig

The drawing – by Danijel Zezelj 

The final composition – by Christoph Ermisch 

Das hat Wolf Böwig gelernt, als er 2010 in New York den Zeichner Danijel Zezelj für die Mitarbeit gewinnen wollte. Zezelj, 1966 in Zagreb geboren, ist für mehrere amerikanische Comicverlage tätig und hatte als Maler im Isabella Stewart Gardner Museum von Boston bereits eine Einzelausstellung. Um ihm die Sache plausibel zu machen, hatte Böwig einzelne Bilder aus einem „Captain America“- Comic von Zezelj genommen und sie von Ermisch außerhalb ihres ursprünglichen Erzählkontextes mit einem Text von Mendes kombinieren lassen. Nach Übersendung dieser etwas dreisten Veranschaulichung dauerte es nur zwei Stunden, bis ein begeisterter Zezelj anrief, um seine Mitwirkung zuzusagen. Gerade der freie Umgang mit seinen Zeichnungen hatte den Künstler überzeugt. Er tauchte für zehn Tage ab, um sofort mit der Umsetzung einer der Reportagen in Bilder anzufangen.

Wolf Boewig – Pedro Rosa Mendes – Danijel Zezelj 

Zu denen, die sich derart für das Projekt begeistern ließen, dass sie gleich loslegten, gehört auch der 1969 geborene belgische Illustrator Thierry van Hasselt, der mit seinen gemalten Bildergeschichten und durch den von ihm mit gegründeten Verlag Frémok einer der wichtigsten Vertreter avantgardistischer Bildergeschichten im französischsprachigen Raum ist. Er wählte einen ungewöhnlichen Text von Pedro Rosa Mendes aus: eine Allegorie auf Charles Taylor. Sie spielt in der Elfenbeinküste, heißt „Schwarze Sonne“ und berichtet über die Ankunft eines namenlosen Warlords auf dem Flugplatz einer abgelegenen Provinz, von dem aus er mit einem Wagenkonvoi voller Bewaffneter ein fernes Ziel ansteuert –immer im Dunkel der Nacht, für das seine Helfer bei jeder Durchfahrt durch eine Stadt die dortige Elektrizitätsversorgung unterbrechen lassen. Um dieses „bulimische Gestirn“, wie Mendes den Warlord bezeichnet, weil er um sich nur Dunkelheit schafft, zu bebildern, ist van Hasselt die ideale Wahl: Wilde dichte Pinselstriche ziehen sich über die Doppelseiten, die ausgeklappt eine Breite von fast einem Dreiviertelmeter haben.Diese extreme Horizontalität unterstützt die Darstellung des nächtlichen Konvois auf seiner Fahrt. Ermisch montierte dafür die einzelnen Motive, die van Hasselt gezeichnet hatte, neu,wählte gegebenenfalls Ausschnitte daraus und bestimmte auch Typographie und Plazierung des Textes: Elf Sätze reichen, um den expressiven Bildern die zum Verständnis notwendigen Informationen beizugeben. Fotos kommen in dieser Adaption nicht zum Einsatz –weil es sich um einen fiktiven Text handelt.

Thierry van Hasselt – Pedro Rosa Mendes  

Das ist bei der Geschichte von „Morie, Prinz der Toten“, die sich Danijel Zezelj ausgesucht hat, ganz anders. Hier übernahm Ermisch deshalb nicht nur viel längere Textpassagen aus der zugrunde liegenden Reportage von Mendes, sondern er hat auch etliche Aufnahmen von Böwig mit den Zeichnungen zusammengebracht. Im Jahr 2003 haben der portugiesische Reporter und der deutsche Fotograf das Dorf Ben du Malen in Sierra Leone besucht, wo 1997 ein Massaker an der Dorfbevölkerung durch bis heute unbekannte Angreifer stattgefunden hatte. Der seinerzeit fünfjährige Morie war der einzige überlebende Augenzeuge. Als Mendes ihn sechs Jahre später in der Obhut eines Onkels in der Stadt Pujehan fand, erinnerte sich der Junge daran, warum die Mörder ihn verschont hatten:„Sie zeigten mir die toten Menschen und machten mich zum Häuptling des Dorfs, drohten mir aber, sie würden mich töten, wenn ich ihnen jemals wieder über den Weg liefe.“

Danijel Zezelj hat für diese Geschichte eine karge Schwarzweißoptik gewählt. Ermisch reduzierte die Farbsättigung, bis die Schwarzflächen wie ausgeblichen wirkten. Die umfangreiche Reportage von Mendes aber ist für das Layout noch drastischer entschlackt worden. Und einzelne Aufnahmen von Böwig ergänzen streng komponierte gezeichnete Bildsequenzen um jene Aspekte, die Zezelj ausgespart hat: die Totenschädel aus den Massengräbern, die traurigen Augen von Morie. Die dritte schon abgeschlossene Geschichte hat David von Bassewitz gezeichnet. Als der deutsche Illustrator sah, wie man mit seinen ersten Entwürfen umging, fing er noch einmal ganz von vorn an. Für den Anfang von „Peanut Butter“, einer Reportage über den letzten liberianischen Söldnerführer, der dem gestürzten Präsidenten Taylor 2004 noch die Treue hielt, hat von Bassewitz ein wirres Liniengespinst gezeichnet, aus dem sich die Protagonisten lösen. Und er integriert eine Bildsequenz, die wie Kritzelzeichnungen von Kindern aussieht. Das nimmt den schlimmsten Aspekt der Reportage auf, der im Buch dadurch verdeutlich wird, dass nach Abschluss der grafischen Bildergeschichte ein großes Foto von Böwig folgt, das auf den ersten Blick eine Gruppe fröhlich lachender Jugendlicher zeigt, bis man die Maschinengewehre in ihren Händen sieht.

David von Bassewitz  – Pedro Rosa Mendes

Wolf Boewig

„Peanut Butter“ verdeutlicht als Geschichte mustergültig die Kombination der erzählenden Elemente von „Black.Light“. Mit diesem Projekt wird etwas Neues versucht. Und alles ist noch im Fluss. Statt des Buchs könnten auch broschierte Hefte entstehen, die als Beilagen einer Zeitung unter die Leute gebracht würden. Eines aber wissen die vier Initiatoren schon: Was auch immer aus „Black.Light“ werden mag, das Projekt darf kein Solitär bleiben, wenn es wirklich darum gehen soll, das Sterben im Schatten ans Licht zu zerren.

 (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 14. Januar 2012)

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Impressions from the Black.Light Project – Workshop

The  Black.Light Project-Workshop took place at the 15th Erlangen International Comic Salon from 7 to 10 June 2012 . Directly before the the Comic Salon, David von Bassewitz, Benjamin Flaó, Thierry van Hasselt, Nic Klein, George Pratt, Stefano Ricci and Danijel Zezelj worked on the project following the stories of the contemporary witness Father Garrick from Sierra Leone and the reports of Pedro Rosa Mendes and Wolf Böwig.

David von Bassewitz/BRD, Nic Klein/BRD, George Pratt/USA, Christoph Ermisch/AD black.Light, Benjamin Flao/Frankreich, Thierry van Hasselt/Belgien, Father John Garrick/Sierra Leone, Danijel Zezelj/USA

Nic Klein/BRD, Benjamin Flao/Frankreich

Danijel Zezelj/USA, Stefano Ricci/Italien

Danijel Zezelj/USA