Rekonstruktion der kritischen Kriegsausstellung von Luise Straus-Ernst (Ausstellung)


Die aktuelle Ausstellung im Kölner Wallraff-Richartz-Museum kombiniert auf exemplarische Weise institutionskritische, kunstgeschichtliche, frauengeschichtliche und bildjournalistische Aspekte. Inspiriert wurde sie von Eva Weissweilers verdienstvoller biografischer Recherche zu Luise Straus-Ernst, die im letzten Jahr unter dem Titel “Notre Dame de Dada” erschien. Die Wiederentdeckung  der vielfältigen Persönlichkeit von Straus-Ernst und ihrer ebenso abenteuerlichen wie tragischen Lebensgeschichte geht auf die posthume Erstveröffentlichung ihrer Autobiografie “Nomadengut” im Jahr 1999 durch den damaligen Direktor des Hannoveraner Sprengel-Museums Ulrich Krempel zurück.

Luise Straus-Ernst mit Hans Hansen, Max Ernst, Richard Straus und Johannes Theodor Baargeld, ca. 1919. (Source: Portal Rheinische Geschichte)

Straus-Ernst war eine der ersten promovierten Kunsthistorikerinnen in Deutschland. Im Ersten Weltkrieg erhielt sie eine Traumstelle und bekam die Gelegenheit, kommissarisch das Wallraf-Richartz-Museum zu leiten. Ihre kuratorische Arbeit fand überregionale Beachtung, doch dann beging sie nach Angaben von Eva Weissmüller “beruflichen Selbstmord”, indem sie an vorderster Front an dadaistischen Antikunst-Aktionen teilnahm. Max Ernst und seine Kölner Künstlerfreunde gründeten eine Gesellschaft der Künste, deren Geschäfts- und Schriftführerin Luise Straus-Ernst wurde. Sie forderte in ihrem Programm unter anderem “Eine Umwandlung der Museen aus Begräbnisplätzen toter Kunst zu Stätten des lebendigen Kunstgeschehens.” Nach dem Verlust ihrer musealen Anstellung arbeitete sie als Journalistin und verfasste nach Angaben ihres Sohnes unter anderem als Ghostwriterin Reden für den damaligen Kölner Oberbürgermeister Konrad Adenauer. Danach war sie elf Jahre vor den Nazis auf der Flucht, die sie 1944 in Ausschwitz ermordeten – und doch ist sie vielen nur als die erste Ehefrau von Max Ernst bekannt. Dieser ungleichen Wahrnehmung will das Wallraf-Richartz-Museum nun eine eigene Ausstellung entgegensetzen, die Straus-Ernsts im Weltkriegsjahr 1917 kuratierte Sonderschau “Alte Kriegsdarstellungen – Graphik des 15. bis 18. Jahrhunderts” rekonstruiert.

Albrecht Dürer, Die große Kanone, 1518 (Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud, Köln)

Rund 120 Blätter von Meistern wie Dürer, Goltzius und Callot hatte Straus-Ernst  ausgewählt und versprach den Besuchern im begleitenden Katalog „einen knappen Überblick über die Kriegsdarstellungen in der graphischen Kunst“. Aber die Schau war keine Jubelausstellung, die die schwindende Kriegseuphorie des deutschen Volkes wieder entfachen sollte. Im Gegenteil: Die stummen Blätter zeigten und zeigen den Krieg als menschliche Katastrophe, ungeschönt und in all seiner Nachdrücklichkeit. Die Kritik an der wilhelminischen Kriegsverherrlichung konnte sich allerdings nur moderat und unterschwellig äussern. Goyas drastischer Antikriegszyklus der Desastres de la Guerra blieb beispielsweise ausgespart.

Jacques Callot, Die Bestrafung (aus den „Schrecken des Krieges“, Nr. 11) (Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud, Köln)

Eine Auswahl von 64 der damals ausgestellten Werke sind jetzt im Graphischen Kabinett des Wallraf zu sehen. Sie werden mit aktuellen Arbeiten der Bonner Künstlerin Louisa Clement kombiniert, die sich mit der medialen Präsenz und Allgegenwärtigkeit heutiger Kriegsdarstellungen auseinander setzen.

Die Ausstellung läuft bis zum 10. September. Sie wird von einem  146-seitigen Katalog begleitet, der auch die Reproduktion des ursprünglichen Kataloges von 1917 enthält.