Technische Paradiese. Die Zukunft in der Karikatur. (Ausstellung und Katalog)


Das von Mathias Winzen geleitete Museum mit dem an die konkrete Prosa von Staumeldungen erinnernden Namen LA8 in Baden-Baden leistet seit nunmehr sieben Jahren in einer ununterbrochenen Folge spannender Themenausstellungen eine imponierende kulturhistorische Aufarbeitung des lange verdrängten und immer aktueller werdenden 19. Jahrhunderts. Daß diese Institution in ihrer Orientierung an Kunst und Technik nicht nur als retrospektives Pendant zum Karlsruher ZKM zu verstehen ist, unterstreicht die aktuelle Ausstellung über die Karikatur der Technikutopie.

Ausstellungsansicht mit zwei Exponaten, die den Übergang vom Gerät zur Maschine demonstrieren sollen (Foto: Thomas Viering)

Das Thema, so Winzen, sei auch heute hoch relevant, denn das „frühmoderne Missverhältnis zwischen expotentiell beschleunigter Technikentwicklung und kaum nachkommender gesamtgesellschaftlicher Deutung und Verarbeitung“, das die Cartoonisten visualisierten, sei “keineswegs gelöst, im Gegenteil.“ Wer sich mit diesem Thema befasse, berichte zugleich von dem Aufeinandertreffen zweier bedeutsamer Entwicklungslininen. „Einerseits wird das Werkzeug im frühen 19. Jahrhundert endgültig zur Maschine. Damit verselbstständigt sich das Werkzeug von seinem klar umrissenen, dienenden Status gegenüber dem Menschen ein Stück weit. Es tritt ihm als teil-lebendige Konkurrenz zur Seite. Andererseits wird die Karikatur von einem kunsthistorischen Nebengeschehen zu einem Hauptexperimentierfeld der Moderne.“

George Cruikshank, „Lofty Projects“ as performed with great success for the benefit & amusement of John Bull, 1825

Es ist das Verdienst dieser Ausstellung, daß sie in über zweihundert Exponaten nicht nur erstmals eines der einfallsreichsten Bereiche der Pressegrafik ausführlich vorstellt, sondern auch die künstlerische Genealogie der utopischen Zeichnung transparent macht. Am einflussreichsten waren hier der vielseitige Hogarth-Nachfolger George Cruikshank und der wenig jüngere William Heath, der 1825 in Glasgow das erste Karikaturmagazin begründete. Später kamen Grandville hinzu, der Pionier der fantastischen Illustration, der 1844 mit Un Autre Monde einen Klassiker der utopischen Groteske vorlegte, sowie der weitgehend vergessene Autor und Zeichner Albert Robida, der zeitgleich mit Jules Verne in einer Reihe humoresker Werke die Science Fiction-Illustration begründete. Alle werden in der umfangreichen Begleitpublikation in monografischen Beiträgen vorgestellt.

Die Schau geht auf eine Initiative des Historikers Eberhard Illner zurück, der durch Publikationen zur Fotohistorie und zur rheinischen Revolutionsgeschichte bekannt ist. Sie ist ein Joint Venture des Baden-Badener LA8, des Hannoveraner Museums Wilhelm Busch und des Wuppertaler Historischen Zentrums. Im LA8 ist sie noch bis zum 5.3. 2017 zu sehen.

Das von Eberhard Illner und Matthias Winzen herausgegebene Katalogbuch ist im Athena-Verlag erschienen.